Wie alles begann

Stell Dir vor, Dein Kind spielt ausgelassen im Hof. Stell Dir vor, Du erkennst, dass Dein Kleines plötzlich den linken Arm nicht mehr bewegen kann. Und stell Dir vor, wenig später teilt ein Arzt Dir die Diagnose mit:

 

Hirntumor im fortgeschrittenen Stadium.

 

Am 8. Mai hatten wir Milas fünften Geburtstag gefeiert. Ein richtiger Kindergeburtstag für unsere jüngste Tochter war es geworden, mit allem, was dazu gehört. Einen Tag später kam sie aus dem Kindergarten und ging etwas unrund, humpelte. „Mein Gott, sie wird in der KiTa umgeknickt sein, passiert“, dachten wir uns. Am 10. Mai, spät nachmittags spielte Mila in unserem Hof auf der Wiese. Ich als Vater beobachtete sie dabei, wie es die meisten Eltern gern einmal mit einer Mischung aus Stolz und Zuneigung tun.

 

Dabei fiel mir auf, dass das Humpeln stärker geworden war. In diesem beobachteten Moment verharrte Mila, griff sich mit der Rechten den linken Arm und versuchte ihn hochzuheben. Hier wurde mir schlagartig klar, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war. Sekunden später kniete ich atemlos vor ihr, nahm ihre kleinen Kinderhände in die meinen und forderte sie auf, meine Hände ganz fest zu drücken. Sie drückte so stark sie konnte und ich spürte ihre Kraft. Doch nur in einer Hand. Ihr rechter Arm war gelähmt.

 

Unsere große Tochter gab ich schnell bei vertrauenswürdigen Nachbarn ab, schnallte Mila ins Auto und raste in die Notaufnahme des Universitätsklinikum Leipzig (UKL). Dabei redete ich ständig mit ihr, fragte sie Sachen, nur um ihre Stimme zu hören, die mir das Gefühl gab und gibt, dass alles gut sei. Im UKL kamen wir sofort dran, was zeigte, wie ernst es um Mila stand. Zunächst versuchten die Notfallärzte, in der Magnetresonanztomographie (MRT) Bilder vom Innenleben ihres Kinderköpfchens zu bekommen. Mila hatte eine Riesenangst in dem knurrenden rotierenden Gerät und ich konnte nur ihr Bein streicheln sowie beruhigend gegen den Krach auf sie einreden. Entsprechend sahen die ersten Bilder aus, die wir nach einer Stunde bekamen. Sie waren durch ihre Bewegung unscharf und verwaschen. Dennoch sah der Arzt, dass in ihrem Kopf etwas war, was dort nicht sein sollte.

 

Noch am gleichen Abend wollten die Ärzte Gewissheit haben. Für meine Jüngste hieß das, dass sie schlafengelegt, sediert werden sollte, um so scharfe, eindeutige Aufnahmen mit dem MRT zu bekommen. Da ich um ihre Angst vor Spritzen wusste, ahnte ich, was auf uns zukam: Sie wehrte sich mit Leibeskräften gegen die Flexüle schrie und weinte bitterlich in meinen Armen. Schlimmer Moment für mich als Vater, auch wenn der Venenzugang an diesem Abend eigentlich das geringste Problem war. Als sie schlief fuhr ich heim, um Waschzeug und Klamotten für sie zu holen, denn wir hatten noch nichts mit. Und ich musste meine Partnerin, ihre Mama, anrufen um alles zu erzählen. Christin war auf Weiterbildung in Potsdam. Sie ging ans Telefon und ahnte wohl, dass etwas nicht in Ordnung war. Mittlerweile war es nach 22 Uhr und kein Zug fuhr mehr. Ein Dozent von ihr brachte sie nach Leipzig. Zurück im Krankenhaus war Mila schon wieder wach und auch gut gelaunt. Sie fragte kaum nach, nahm alles so hin wie es kam und war unglaublich tapfer. Tapfer würde auch ich zeitnah sein müssen, denn vor mir stand das Arztgespräch, das für unser weiteres Leben entscheidend sein sollte. In mir stiegen Panik und Ohnmacht auf.

 

„Ihre Tochter leidet an einem Gehirntumor!“. Gnadenlos, unbarmherzig, hart kamen die Worte bei mir an, auch wenn sich der diensthabende Arzt wohl alle Mühe gab, mir die Sache sanft näherzubringen. Kurz erklärt handelt es sich dabei um ein Krebsgeschwür an der Brücke zwischen den Hirnhälften. Benebelt durch die Diagnose hörte ich Satzfetzen wie „… denkbar ungünstig …“, „… müssen sich die Fachärzte ansehen …“ und „… sehr wenige Fälle …“. Redeten wir hier über MEIN Kind? Das gerade noch gesund und vor Lebenslust schreiend über den Hof gerannt ist? Sowas gibt’s doch nur im Film, sowas passiert Anderen, aber doch nicht MEINEM Kind! Ein Gefühl wie ein Albtraum sollte uns von nun an sehr lange begleiten.

 

Das Erwachen am folgenden Tag war schrecklich für uns und bis zum 12. Mai, einem Freitag, musste sich Mila weiteren Tests unterziehen. Währenddessen redeten wir mit den Fachärzten, die uns sagten, dass das Ding in Milas Kopf so groß sei wie ein Tischtennisball. Die Zeit ging quälend langsam dahin, am Wochenende passiert in einem Krankenhaus so gut wie nichts. Wir als Eltern standen unter Schock, unsere Freunde und Familie ebenso. Schon eine unachtsame Bemerkung einer Schwester konnte uns den wackeligen Boden unter den Füßen wegreißen, so fragil war unser Gemütszustand.

 

Und Mila? Saß meist im Rollstuhl, freute sich über ihre Omi und Tante, die beide gekommen waren, um uns zu unterstützen. Manchmal lief sie auch einige Schritte und manchmal, ja manchmal lachte sie sogar. Im Krankenhauspark pflückte sie eine Blüte vom Rhododendron ab, brachte sie auf wackeligen Beinen ihrer Mama und meinte verwaschen, „Alles Liebe zum Muttertag, Mami“. Uns zersprang bald das Herz, so zuckersüß, so zerbrechlich war sie. Das Warten über das Wochenende, die Ungewissheit, das Sackenlassen der Diagnose kosteten Kraft und Tränen.

 

Am Montagnachmittag, es waren gerade mal fünf Tage seit dem ersten Schock vergangen, entschied sich der Neurochirug Dr. K für den Eingriff. Zum einen sollte eine Gewebeprobe entnommen werden, um zu sehen, ob das Geschwür gut- oder bösartig ist. Zum anderen, um gleich einen Teil des Dings zu entfernen und so den Druck auf Milas Nervenbahnen zu nehmen. Damit sollte die fortschreitenden neurologischen Ausfallerscheinungen gestoppt oder wenigstens verbessert werden. Vor allem ging es darum Raum zu schaffen, Platz und somit für Mila wertvolle Zeit zu gewinnen. Der Arzt gestand uns, dass er selbst einen solchen Eingriff, auf Grund seiner Seltenheit, noch nie vorgenommen hätte und er ihn bei einem Erwachsenen nicht wagen würde. Zu groß sei das Risiko einer postoperativen Behinderung, zu groß der Tumor in Milas Kopf. Wir konnten ihm kaum mehr zuhören, wollten endlich mal wieder etwas Positives hören.

 

Die OP verlief gut: Probe entnommen und ein Stück von dem Ding entfernt. Mila hat der Eingriff natürlich arg mitgenommen und was wir in diesen zehn Stunden durchgemacht haben, lässt sich nicht in Worte fassen. Bald nach der OP gaben die Ärzte ihr regelmäßig Kortison, da dieses Medikament abschwellend auf den Körper wirkt. Nebeneffekt: Mila hat ständig Hunger, baut sich vielleicht Reserven auf, die sie während der Chemotherapie noch gebrauchen wird.

 

 

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Kommentare: 20
  • #1

    Anja (Mittwoch, 14 Juni 2017 22:02)

    Liebe Christin, ich kann als Mama von 3 wundervollen Mädels nur erahnen wie es dir und euch gerade geht. Es tut unendlich weh ! Aber ich habe dich immer als so starke und strahlenden Frau erlebt, dass ich mir sicher, egal wie dieses Drama enden wird, du und ihr werdet es schaffen, einen Weg zu finden, den ihr gemeinsam gehen könnt. Was immer ich dir oder euch helfen kann, lass es mich wissen. In Gedanken fest bei euch, Anja ( Physio)

  • #2

    Lindner (Donnerstag, 15 Juni 2017 12:33)

    Hallo Familie hintertür. Ich dachte grade ich schau nicht richtig! Dann erkannte ich wer gemeint war und ich bin sprachlos. Ich denke man kann nicht die richtigen Worte finden um zu erahnen wie es euch als Eltern gehen muss. Ich wünsche euch ganz ganz viel Kraft. Alles gut und gebt nicht auf!!!! LG Sandy

  • #3

    Daniela schmidt (Donnerstag, 15 Juni 2017 17:42)

    Wir wünschen euch viel Kraft wir sind beide bei euch wir wüschen euch alles gute wir sind alle beide sprachlos LG Dani und Mario.

  • #4

    Susi❤ (Donnerstag, 15 Juni 2017 22:40)

    Ich hoffe nein ich glaube fest daran das mila das Wunder ist das allen Menschen die nicht an wunder glauben beweisen wird das es wunder gibt...Ich wünsche euch so viel Kraft, so viel zeit so viel Mut und ganz viel Hoffnung...Ihr seit eine tolle und starke Familie!!!

  • #5

    Anja.eisermann@freenet.de (Donnerstag, 15 Juni 2017 22:59)

    Ein Wimpernschlag und das Leben dreht sich um 180 Grad. Ich denke an dich.

  • #6

    Grit (Freitag, 16 Juni 2017 01:34)

    Meine liebe Kleene, ich hoffe und bete inständig für dich, dass du deine Ziele noch erreichen kannst

  • #7

    Nadine (Freitag, 16 Juni 2017 07:10)

    Hallo Christin, ich konnte es nicht glauben,dass ihr das seit, ich weiss noch vor fast 4 Jahren in Bulgarien als wiruns kennengelernt haben. Ihr seit so eine herzlich starke Familie ich wünsche euch ganz viel Kraft.

    Grüsse

  • #8

    Jenny Burmeister (Sonntag, 18 Juni 2017 14:15)

    Liebe Mila,

    Wir hoffen für dich und deine Eltern das es nochnicht zu spät ist, du wundervolle Momente hast und noch mehr Jahre bei deinen lieben Eltern, deinen Verwandten und deinem Freundeskreis bleiben darfst! ❤
    Dass das Leben einen so hart auf die Probe stellen muss ist echt hart! :(

    Liebe Grüße Jenny und Selina

  • #9

    Shirin (Sonntag, 18 Juni 2017 21:03)

    Hallo ihr tollen und tapfere Eltern, ich bin eben durch Zufall auf eure Seite gestossen und es hat mir mein Herz in tausend Teile gebrochen; Frage mich immer noch warum? Warum so ein kleines Zerbrechliches Wesen?
    Ich wünsche Euch von Herzen weiterhin ganz viel Kraft und nur das allerbeste für eure Zuckermaus �

  • #10

    Sandy (Montag, 19 Juni 2017 21:19)

    Liebe Mila, die Nachricht, das du so sehr krank bist, hat mich schwer getroffen. Gar nicht so lang ist es her, da bist du noch fröhlich durchs Zimmer gesprungen und hast uns auf Trapp gehalten, mich und die Birgit. Icj

  • #11

    Dabell (Montag, 19 Juni 2017 21:41)

    Hallo, solche Nachrichten zu lesen, brechen einem das Herz. Es wird seit einigen Tagen ein Artikel bei Facebook geteilt, der auch in der ARD Mediathek von plus minus zu sehen ist, in dem es darum geht, dass Chemotherapie in Kombination mit Methadon eine sehr gute Heilung nachgesagt wird...
    Alles Liebe!

  • #12

    Steffi und Ronald Metzner (Sonntag, 25 Juni 2017 11:37)

    Liebe Familie Hinterthür,
    von Bekannten haben wir vom Schicksal eurer Tochter Mila erfahren und drücken ganz fest die Daumen, dass sich alles zum Guten wendet. Gebt die Hoffnung nicht auf und blickt immer optimistisch in die Zukunft. Viele Freunde, Bekannte aber auch fremde Personen, die die bewegenden Schilderungen von der Erkrankung von Mila verfolgt haben denken an euch und vor allem an Mila.
    Alles Gute für die Zukunft!

  • #13

    Matthias (Sonntag, 02 Juli 2017 01:20)

    Hallo,

    kontaktiert bitte die Uniklinik-Ulm. Hier gibt es erste Erfahrungen
    bei der Bekämpfung von Krebs mit Methadon

    http://www.uniklinik-ulm.de/methadon.html

    Ein Versuch ist es wert!

    VG & Kraft

  • #14

    Astrid Kläber und Jens Stein (Montag, 03 Juli 2017 13:35)

    Liebe Christin,
    man muss sich nicht intensiv kennen und doch geht einem das Schicksal der kleinen Mila so nahe. Wie musst du dich und ihr euch dann fühlen? Wir wünschen euch sehr viel Kraft und die Fähigkeit euch auch weiter an den kleinen wunderschönen Momenten zu erfreuen. Wir hoffen sehr, dass es noch viele, sehr viele davon geben wird und ihr euch von eventuellen Rückschlägen nicht entmutigen lasst.
    Mila, bleib tapfer!

    Alles Liebe wünschen euch Astrid Kläber und Jens Stein

  • #15

    szukam seksu (Montag, 04 September 2017 20:45)

    blizanowski

  • #16

    Nicole koch (Dienstag, 05 September 2017 08:34)

    Hallo!
    Mir kommen selber die Tränen. ..ich wünsche euch und eurer tochter alles alles gute und gebt die Hoffnung nie auf! Die kraft und der lebenswille kann manchmal wunder bewirken! Alles liebe ! ♡

  • #17

    towarzyskie seks (Dienstag, 05 September 2017 13:36)

    radioskop

  • #18

    anonse (Freitag, 08 September 2017)

    pezetpeerowcze

  • #19

    sexphonepl (Samstag, 09 September 2017 11:50)

    dereniowiec

  • #20

    sex telefony (Dienstag, 03 Oktober 2017 15:36)

    niepowiadamianie